Raus aus den Städten?
Als Selbstversorger aufs Land?
Von Sonja
B. Neidhardt.
Erstellt am:
Fr.29.Apr.2022 aktualisiert am: …
Lesezeit: ca.
10 Minuten
Adventisten
und Gläubige, die Adventgemeinden besuchen, lernen, dass Ellen G. White uns
sagt, dass wir die Städte verlassen sollen, da in der Bibel steht, dass wir
Babylon verlassen sollen (Off.18,4).
"Immer wieder hat der Herr angewiesen, dass unser Volk
seine Familien aus den Städten aufs Land bringen soll, wo sie ihre eigenen
Vorräte anbauen können; denn in Zukunft wird das Problem des Kaufens und
Verkaufens sehr ernst sein. Wir sollten jetzt beginnen, die uns immer wieder
erteilten Anweisungen zu befolgen: Verlasst die Städte und geht in ländliche
Gebiete, in denen die Häuser nicht eng beieinander stehen
und man frei von feindlichen Eingriffen ist." Adventist Home 141.4
Daraus
ist im Angesicht der aktuellen Krisen um Corona und den Krieg in der Ukraine
ein regelrechter Boom geworden und Scharen von Menschen, die die Adventgemeinde
besuchen, diskutieren und planen nun fieberhaft, wie man möglichst schnell in
Gemeinschaften aufs Land ziehen könnte, um sich dort unabhängig und möglichst
fern von der sündigen Welt selbst zu versorgen.
Menschen
im fortgeschrittenen Alter, die 2/3 ihres Lebens in der Industriegesellschaft
gelebt haben, schwärmen davon, gemeinsam einen Bauernhof zu kaufen und zu
bewirtschaften, eigene Brunnen zu haben und selbst essbare Pflanzen anzubauen,
die ausreichen, um die Gemeinschaft zu ernähren. Besonders mit Blick auf die
Zeit, wo wir nicht mehr kaufen oder verkaufen können (Off.13,17).
Dabei
wird aber vergessen, dass man in einer Zeit, wo man weder kaufen noch verkaufen
kann, in den allermeisten Ländern der Erde und in Europa insbesondere nicht
einmal einen Quadratmeter Land besitzen und bewirtschaften kann, wenn man nicht
mehr in der Lage ist, Grundsteuern zu bezahlen.
Im
Gegenteil, wenn man nicht mehr kaufen und verkaufen kann, dann wird man nur
noch auf der Flucht sein. Ein Bewirtschaften von Ackerflächen ist dann
ausgeschlossen, außer vielleicht wenn man das Glück hat, in den Weiten der dünn
besiedelten USA eine Zuflucht gefunden zu haben. Ein Gedanke, der offenbar
Ellen G. White bewegte, die in den USA aufgewachsen ist.
Andere
wiederum sagen, man würde aufs Land ziehen, um eine bessere, geheiligtere Umgebung für das Aufziehen von Kindern zu
haben und um Zugang zu zuverlässig gesunder Bio-Nahrung zu haben, die man
selbst anbaut. Man könnte dadurch auch eine größere Vitalität ausstrahlen, was
Menschen aus der Welt, die keinen Zugang mehr zu so hochwertiger Nahrung haben,
überzeugen könnte, sich uns anzuschließen. Ein guter Gedanke!
Doch
wäre es nicht auch möglich, dass nur einige aufs Land ziehen, die ein Talent im
Bebauen von Feldern haben, um Brüder und Schwestern in der Stadt auch mit
vitaler Kost zu versorgen, ähnlich wie dies heute durch Bioläden möglich ist?
Zusätzlich könnten die Brüder und Schwestern auf dem Land ein gutes Ziel für
die Freizeit und den Urlaub der Brüder und Schwestern aus der Stadt sein.
Unzweifelhaft wirkt der Aufenthalt auf dem Land, in der blühenden und ruhigen
Natur heilend auf den Körper und auch heiligend auf den Geist.
Ist
es wirklich notwendig, dass wir aus den Städten
flüchten? Ist unser Gott nicht in der Lage, uns zu befähigen, uns von den
Einflüssen der Welt auch mitten in der Welt zu heiligen? Ist er nicht in der
Lage, uns dort gesund und gut zu versorgen, z.B. durch die Brüder und
Schwestern, die ihren Dienst auf dem Land verrichten?
Wenn
nun fast alle aufs Land ziehen würden, würde das nicht alle unsere Kapazitäten
über Jahre hinweg binden, da wir uns ja erst diese neue Art zu leben und zu
wirtschaften erarbeiten müssten? Wieviel Zeit bliebe da noch übrig für unseren
Auftrag, das Evangelium zu verkünden, nicht nur in der Gemeinde, sondern gerade
auch draußen in der Welt?
Zumindest
für einige Jahre wären wir dann sehr beschäftigt, diese neue Lebensweise zu
etablieren, zu lernen und weiterzuentwickeln … gleichzeitig würden wir den
Draht zur Welt verlieren und es bald den Mormonen gleichtun.
Emsig
diskutieren Brüder und Schwestern zurzeit in etlichen Foren in den sozialen
Medien, wie man schmutziges Wasser so aufbereiten und zur Verfügung stellen
kann, dass man fließendes Wasser hat, obwohl man nicht ans öffentliche Netz
angeschlossen ist … wie man den Boden bestellen kann … wie man kompostiert
…woher man Saatgut bekommt, das kein F1-Hybrid ist …
Ein
riesiger Markt entsteht hier, wo natürlich auch Anbieter passender Ware richtig
gut daran verdienen. Camping-Trockentoiletten sind im Angebot … Naturheilmittel
werden verkauft …
Man
versucht eine Art Perpetuum Mobile zu bauen, das aber von der Belieferung durch
hochtechnologische Produkte aus der Industrie abhängig ist, wie z.B.
Microfilter, Solarpumpen, Wassertanks aus Kunsstoff,
Photovoltaikanlagen, Batterien usw. Dabei wird auch vergessen, dass diese
Technologien nicht ewig halten und ca. alle 5-10 Jahre wieder etwas ersetzt
werden muss. Woher nehmen, wenn man dann nicht mehr kaufen kann?
Eine
Sackgasse.
Wenn,
sagen wir mal, schätzungsweise 80% aller Gläubigen diesem Ruf folgen und aufs
Land ziehen, was würde dann aus den vielen Gemeinden, die es jetzt noch in den
Städten gibt? Gemeinden, die dort sind, wo die Sünder sind?
Sie
würden aufgelöst werden. Für die Sünder in den Städten gäbe es kaum mehr
praktikable Möglichkeiten, mal neugierigerweise eine
Gemeinde zu besuchen und so den Weg zu Jesus zu finden.
Off 18,2 (German SB)
… gefallen ist Babylon, die Große …
Off 18,4 (German SB)
Und ich hörte eine andere Stimme aus dem Himmel, die sprach: Gehet aus ihr
heraus, mein Volk, damit ihr nicht ihrer Sünden teilhaftig werdet und damit ihr
nicht von ihren Plagen empfanget!
Was
ist nun damit gemeint?
Sind damit allgemein Städte gemeint?
Wenn
wir die Schrift zum Thema Babylon betrachten, dann erkennen wir, dass mit
Babylon die sündige, gefallene Welt gemeint ist. In Babylon zu „wohnen“, heißt
also, „von der Welt zu sein“. Und das wiederum heißt, Saufen, fressen, Party
feiern, eifersüchtig sein, Ehe brechen, stehlen, lügen, betrügen, neidisch
sein, sich über andere zu erheben, selbstsüchtig zu sein, dem Begehren freien
Lauf zu lassen usw.
Jesus
aber lehrt uns, dass wir „nicht von der Welt sein“ sollen, sondern nur „in der
Welt“. Wir sollen das Salz sein, das das Leben schmackhaft macht und nicht
teilhaben an den sündigen Neigungen und Handlungen der gefallenen Welt.
Wo
war eigentlich Jesus, dem wir folgen sollen?
Er
war von Stadt zu Stadt unterwegs. Wir lesen von Aufenthalten u.a. in Bethsaida, Kapernaum, Tiberias, Kanaan, Jericho, und von
der geliebten Stadt Jerusalem. Er hielt sich sogar sehr lange und oft in der
Stadt Jerusalem auf. Ruhe fand er dort z.B. im Garten Gezemaneh.
Jesus war immer dort, wo viele Menschen waren, denn er hatte ja die frohe
Botschaft zu verkünden, das Evangelium. Natürlich war er auch viel unterwegs
auf den Landwegen. Das ist eine gute Sache, die wir auch tun sollten
… Wandern, gemeinsam mit unseren Kindern in der Schöpfung und dort auftanken
für den nächsten Dienst.
Sollten
wir ihm denn nicht folgen? Ja, doch!
Lebte er auf dem Land? Nein.
Mat 28:19 (German SB)
Gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker, indem ihr
sie taufet auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen
Geistes und sie halten lehret alles, was ich euch befohlen habe. Und siehe, ich
bin bei euch alle Tage bis ans Ende der Weltzeit!
Dies
ist eindeutig ein Auftrag, den wir bis ans Ende der Weltzeit zu erfüllen haben.
Auf gar keinen Fall sollen die Gläubigen fluchtartig die Städte
verlassen und abgesondert auf dem Land leben. Denn dann gäbe es in den Städten
keine guten Beispiele mehr durch die vielen Kirchengemeinden, die es heute noch
dort gibt. Selbst wenn wir uns vornehmen würden, vom Land regelmäßig in die
Stadt zu fahren, um dort zu missionieren, könnten wir kaum jemand erreichen,
denn wir hätten dort auch keine Räumlichkeiten mehr, wohin wir einladen könnten.
Große Wege müssten zurückgelegt werden, damit jemand uns in unseren Gemeinden
auf dem Land besuchen könnte. Die Hemmschwelle, die Botschaft vom Evangelium zu
empfangen, würde drastisch ansteigen. Außerdem wären wir dann ja bald die „Sonderlinge vom Land“ und man würde uns noch
misstrauischer begegnen, was die Verbreitung des Evangeliums noch stärker
beeinträchtigen würde.
Würden
wir alle auf das Land ziehen und Selbstversorger werden, so würden wir uns aus
der Gesellschaft herausdividieren und auf egoistische Art und Weise alle
restlichen Menschen im Stich lassen und unseren Missionsauftrag nicht mehr
vollziehen. Dies steht aber so in der Bibel nicht geschrieben.
Unsere
Aufgabe ist es, bis zum bitteren Ende das Salz in der Welt zu bleiben und allen
Menschen gegenüber friedlich und freundlich zu sein und sie dadurch als unsere
Freunde zu gewinnen. Denn wenn sie unsere Freunde werden, dann können Sie auch
Jesu Freunde werden.
Mat 5:13 (German SB)
Ihr seid das Salz der Erde. Wenn aber das Salz fade wird, womit soll es wieder
salzig gemacht werden? Es taugt zu nichts mehr, als dass es hinausgeworfen und
von den Leuten zertreten werde.
Wenn
wir aber die „Sonderlinge vom Land“ sein würden, dann würde man uns nur komisch
ansehen in der Stadt und wir hätten keine Chance,
noch irgendeine Seele zu retten, das Salz wäre fade geworden.
Natürlich
ist es gut, wenn es in der Gemeinde viele gibt, die Landwirtschaft betreiben.
Außerdem ist es seit eh und je unsere Aufgabe, dass wir uns als Gläubige sowohl
in den Städten als auch auf dem Land von der sündigen Welt heiligen.
Und
natürlich ist es eine schönere Umgebung und sehr segensreich, wenn man auf dem Land
aufwächst. Doch nicht jeder hat diese Voraussetzungen oder das Geld, sich Grund
und Haus auf dem Land anzueignen. So hat auch jeder eine andere Aufgabe im Leib
Christi. Der eine in der Stadt, der andere auf dem Land.
Durch
die Brüder und Schwestern, die Landwirtschaft betreiben, kann die Gemeinde
selbst sich bis zu einem gewissen Grad mit gesunder Nahrung versorgen, solange
noch gekauft und verkauft werden kann. Wenn wir und unsere Kinder möglichst
viel Freizeit in der Schöpfung und auf dem Land verbringen, bringt dies großen
Segen. Durch die Heiligung von der Welt in Stadt und Land stehen strahlende und
freundliche Menschen im Dienste Gottes, um Sünder auf dem Weg zu ihm zu
begleiten.
Doch
es ist kein Appell Gottes vorhanden, der es jedem Gläubigen nahelegt, jetzt
oder später aufs Land zu ziehen. Der Appell Gottes an uns ist, das Salz in der
Welt zu sein, mitten in Babylon, genauso wie Jesus selbst uns das gezeigt hat,
wenn er gerade die Sünder besuchte:
Mar 2:15 (German SB)
Und es begab sich, als er in dessen Hause zu Tische saß, dass auch viele
Zöllner und Sünder sich mit Jesus und seinen Jüngern zu Tische setzten, denn es
waren viele, die ihm nachfolgten.
Herausgehen
aus Babylon heißt nicht, die Städte oder die Welt physisch zu verlassen, das
ist ja gar nicht möglich, sondern es heißt, den Geboten Gottes zu folgen und
nicht teilzuhaben an den sündigen Handlungen der Welt, egal wo wir leben und
Gottes Diener sind.
Gelobt sei JeHoWáH, der Vater und
der Sohn!
In Ewigkeit.
Amen!